„Ich habe eine traurige Mitteilung zu machen“, sagt meine Nachbarin, als sie am frühen Nachmittag an unsere Haustür klopft, „ein Todesfall, leider!“
Oh nein, nicht schon wieder! Erst vor wenigen Wochen wurde Glucki, unsere liebevolle Hühnermama, die 7 Eier bilderbuchmäßig 21 Tage lang ausgebrütet und die 6 davon geschlüpften Wuselkücken aufgezogen hat, Opfer eines ungeklärten Mordfalles. „Was ist denn bei denen los?“, fragt unser Jüngster beim Hausaufgaben erledigen, als von draußen lautes Hühnergegacker und Hahnen-Geschrei zu hören ist. Bei den Tieren angekommen hab ich zuerst nichts auffälliges bemerkt, außer dass die Damen wieder ausgebüchst und im nicht ganz ungefährlichen Außenbereich ihres Auslaufs waren, klar, da ist das Gras grüner, bzw. überhaupt noch vorhanden, denn wo die Hühner scharren, kommt kein Halm mehr auf. Von daher ist es nur zu verständlich, dass sie vom saftigen Grün nach draußen gelockt werden. Die besonders Gewieften unter meinen Federtieren finden auch tatsächlich immer wieder ein Schlupfloch ins außerhalb gelegene Paradies. So kam es, dass Golda, eine von zwei Goldsperbern, die zweite heißt übrigens Goldi, der Einfachheit halber, wie wild an mir vorbeirennt, im Schnabel einen Buschen schwarzer Federn. Und da ich nicht davon ausgehe, dass Golda möglicherweise aus Hühner-Zicken-Gründen Glucki aus dem Weg geräumt hat – ja, mir ist klar, dass Hühner kannibalisch veranlagt sind, aber dazu müsste das vermeintliche Opfer eine deutlich zu erkennende Wunde haben, damit die anderen auf sie aufmerksam werden, tippe ich auf den Fuchs, auf den Fuchs der beim benachbarten Bauern nicht nur durch seine Hinterlassenschaften aufgefallen ist, sondern auch schon Laufenderweise entdeckt worden ist, am helllichten Tag, von Räude gekennzeichnet.
Der Fuchs, der die Nachbarin zur Linken am Morgen des Neujahrstages zu lauten Schreien verursacht hat, weil er eine ihrer drei Laufenten angegriffen und sie damit verständlicherweise in Panik versetzt hat. Dem nicht genug, ihr Hund, Haus, Hof und Tier verteidigend, springt sogleich zur Rettung der Ente auf den Jäger, wird von ihm gebissen, mit Räude angesteckt , aber – schlägt den Fuchs in die Flucht. Einige Tage später findet die Bäuerin den Fuchs tot auf ihrem Hof. Klein war er noch und irgendwie süß, sagt sie, der kranke Fuchs.
Er kann es also nicht gewesen sein, der meine Traui (unser Jüngster hat sie so genannt, weil sie die erste war, die geschlüpft ist, die sich aus dem Ei getraut hat) in Nachbars Garten, den vielen um den leblosen Körper herumliegenden Federn zu urteilen, in einem grausamen Todeskampf ums Leben gebracht hat. Mutmaßungen lassen nur einen Raubvogel als möglichen Täter zu. Aber genau so wie bei Mama Glucki, wird der Tot ihrer Tochter Traui ungeklärt bleiben.
Unter unseren nun noch 9 übriggebliebenen Hühnern und Hähnen ist bei zwei/drei der Freiheitsdrang recht ausgeprägt und ich bringe sie oft mehrmals täglich wieder in die ungewollte Gefangenschaft zurück, auch wenn ich sie lieber, ihrer Natur entsprechend, im Garten rumlaufen sehe. Nur tot sehen mag ich sie nicht mehr.